Ein Tutorial aus der Reihe „Calligraphy Hacks“
Gestern gab es wieder ein kleines Live auf Instagram, hier nochmal das Wichtigste (& wie immer noch etwas mehr…) zum Nachlesen:
Also: Der Federwinkel
Wenn Du Dich schon länger mit Kalligrafie beschäftigst, dann kannst Du diesen Blogartikel getrost einfach überspringen – denn dann ist der Federwinkel schon lange Dein Freund und eine Selbstverständlichkeit für Dich!
Stehst Du aber erst am Anfang, dann ist er sozusagen das ALLERWICHTIGSTE! Und das meine ich wirklich so.
Dazu eine kleine Geschichte (irgendwann erzähl ich auch noch mehr über meinen Einstieg in die Kalligrafie vor vielen, vielen Jahren…): Ich hab in meinen ersten Kursen NICHTS, aber auch GAR NICHTS über den Federwinkel gelernt. Dafür umso mehr über Kreativität, was ja mal auf die lange Sicht gesehen auch nicht so schlecht ist…
So. Und dann saß ich irgendwann in einem „richtigen“ Kurs – also bei einem sehr professionellen Lehrer, wahrscheinlich war es Thomas Hoyer oder Torsten Kolle, und ich erfahre, dass ich meine Feder seit Jahren falsch halte… Was denkst Du, wie lange ich gebraucht habe, um mir diesen falschen Winkel abzutrainieren? Ungelogen: ungefähr zwei Jahre!!! Genau das möchte ich Dir gerne ersparen.
Schauen wir uns doch als erstes mal an, was er denn so macht, der Federwinkel:
Genau. Er sorgt dafür, dass es breite und schmale Stellen bei den Buchstaben gibt. Und dass die – sehr wichtig!!! – an der richtigen Stelle sitzen, sodass alles schön harmonisch ausschaut.
Der „richtige“ Federwinkel für die meisten Schriften liegt irgendwo zwischen 30° und 45° – und er hat auch mit persönlichen oder historisch bedingten Vorlieben zu tun. So schreiben z. B. die Menschen in den angelsächsischen Länder traditionellerweise mit einem steileren Winkel, also mit 45°. Kommt man ihnen mit einem 30°-Winkel, ziehen die dortigen Kalligrafen sehr skeptisch die Augenbrauen hoch…
Dabei kann der 30°-Winkel auch richtig was: Er sorgt nämlich ganz automatisch dafür, dass z. B. bei einem großen „E“ die Querstriche etwas schmaler ausfallen als der senkrechte Buchstabenstamm. Und das schaut einfach eleganter aus, als wenn alle Striche gleich breit sind.

Optische Täuschung: Gleich breite Striche sehen in der Horizontalen automatisch breiter aus als in der Vertikalen!!!
Meine eigenen Vorlieben:
Die Humanistische Kursive z. B. schreibe ich gerne mit einem etwas steileren Winkel, während ich für die Unziale immer den 30°-Winkel bevorzugen würde.
Bevor ich jetzt aber anfange, Dich zu langweilen mit lauter Theorie, hier eine kleine praktische Übung:
Du brauchst dazu:

Ein anderes Hölzchen sollte auch funktionieren – einfach vorne grad abschneiden!
- ein Stückchen Holz, ca. 1-1,5 cm breit, am besten Balsaholz. Das gibt es im Baumarkt in ca. 1 m langen Streifen, die man dann einfach mit dem Cutter auf einer Schneidunterlage zuschneiden kann, so weich ist das Holz. Wenn Du kein Balsaholz zur Verfügung hast, dann versuch es mit einem zugeschnittenen Eisstäbchen oder auch einfach mit einem Stückchen fester Pappe!
- irgendeine Schreibflüssigkeit – z. B. Holzbeize ,-)))
- Papier – am besten etwas größer, also DIN A3, es kann einfach ein ausgedienter Zeichenblock Eurer Kinder sein oder einfach ein Packpapierbogen. Und da kommt mir gleich noch eine Idee: lasst die Kinder (oder Enkel) doch gleich einfach mitmachen!!! Es ist ein Riesenvergnügen und Ihr könnt dabei den Geschenkpapiervorrat für das gesamte Jahr herstellen. Oder aus den fertigen Blättern Briefkuverts herstellen.
Es gibt nur ein Problem – die Finger werden so schnell nicht mehr sauber. Das lässt sich beim Arbeiten mit Balsaholz kaum vermeiden, denn die Farbe zieht sich im Holz hoch. Und Holzbeize klebt zuverlässig bis mindestens zum nächsten Tag als Erinnerung an Euren Kreativ-Ausbruch an Euren Händen…,-)))
Aber jetzt endlich die Übung:
Am besten machst Du Dich zuallererst mal ein bisschen mit dem Balsaholz vertraut. Tauch es ein in die Farbe und zieh kreuz und quer Linien auf einem leeren Blatt, nach Herzenslust, probier einfach mal aus, was passiert, je nachdem, wie Du das Holz hältst!
Dann kommt die ernsthafte Übung: Ich ziehe mir Hilfslinien, die haben die Höhe von 4 x der Breite des Balsaholzes. Dazu male ich zuerst eine kleine „Treppe“ aufs Papier.
Zwischen diesen Linien schreiben wir! Nicht akribisch, sondern locker, die Spitzen der Zeichen dürfen ruhig oben und unten über die Hilfslinie überstehen. Meine tun das jedenfalls ,-))

- Übung:
Das Hölzchen mit dem richtigen Winkel ansetzen, also etwa mit 30°. Senkrecht nach unten ziehen – das führt dazu, dass die Linie unten genau den gleichen schrägen „Anschnitt“ bekommt wie oben. Dabei solltest Du darauf achten, dass Dein Handgelenk das Balsaholz immer schön im gleichen Winkel hält – in diesem Fall „wie eingegipst“ ,-)))
2. Übung:
Zackenlinien – wenn Du das Holz immer schön gleichmäßig hältst, bekommen Deine Zacken ganz automatisch dünne & breite Abschnitte.
3. Übung:
Dasselbe mit wellenförmigen Linien.
Gerne kannst Du Dich mit Farben austoben und nach Herzenslust zwischen verschiedenen Farbtönen wechseln oder auch noch Zierlelemente wie z. B. dünne Linien mit der Ecke des Balsaholzes oder einem anderen Werkzeug hinzufügen. Umso schöner wird das Geschenkpapier ,-)))
Hier kannst Du Dir das (gekürzte) Insta-Live-Video nochmal anschauen:
Ganz toll wäre an dieser Stelle hier natürlich noch ein Bild von einem fertig gestalteten Blatt… ich bin aber zu faul ,-))) Hab das schon zu oft gemacht. Hast Du Lust? Schick mir ein schönes Übungspapier, und ich binde es hier ein (natürlich mit Deinem Namen)!
Das war’s auch schon!
Nächste Woche schauen wir uns an, wie man schöne Buchstaben mit dem Balsaholz auf Aquarellpapier zaubert.

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Und jetzt viel Spaß beim Ausprobieren, und nicht vergessen:
Schön gesund & negativ bleiben, versprochen?!
Wir sehen uns! Bis nächste Woche.
